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Bewegende Lebensbilder spiegeln ein Stück rheinische Kirchengeschichte - Buch stellt 100 rheinische Protestanten vor, die die NS-Zeit durchlebten

Simmern/Bad Kreuznach. „Mir wolle dat Wief net hawe“ – so unfreundlich schallte es der jungen Vikarin Milly Schroeder aus dem Presbyterium entgegen, als sie 1942 die Vertretung des zur Wehrmacht eingezogenen Gemeindepfarrers Karl Schmidt in dem Hunsrück-Dorf Winterburg übernahm. Doch die in Wuppertal aufgewachsene Theologin der Bekennenden Kirche und Gegnerin des Nazi-Regimes erarbeitete sich im rauen Kriegsalltag rasch den Respekt der Gemeindeglieder in Winterburg, das heute zur Evangelischen Kirchengemeinde Gebroth-Winterburg im Kirchenkreis An Nahe und Glan gehört. 

Milly Schroeder ebenso wie Friedrich Langensiepen (Pfarrer in Gödenroth und Mitbegründer der Hunsrücker Bruderschaft, dem Vorläufer der Bekennenden Kirche in der Region), Ernst Gillmann (Superintendent in Simmern) und natürlich der als Prediger von Buchenwald bekannt gewordene Nazi-Gegner Pfarrer Paul Schneider aus Dickenschied gehören zu den rheinischen Protestantinnen und Protestanten, die in dem neuen Buch „Zwischen Bekenntnis und Ideologie. 100 Lebensbilder des rheinischen Protestantismus“ vorgestellt werden. 

Der Band enthält Kurzbiografien von hundert evangelischen Persönlichkeiten, die unmittelbar vor, während oder in den Jahrzehnten nach der NS-Zeit gelebt und in der rheinischen Kirche gewirkt haben. Ihre Lebensgeschichten bieten einen spannenden Zugang zur bewegten Geschichte dieser Jahre. Dabei wird auch der Blick auf dunkle Seiten der Kirchengeschichte nicht ausgespart.

Geschrieben haben die Porträts mehr als drei Dutzend Autorinnen und Autoren. Die Auswahl der Personen wurde von dem Bemühen geleitet „den rheinischen Protestantismus im 20. Jahrhundert zumindest exemplarisch in seiner ganzen Breite abzubilden“, heißt es in der Einleitung. So finden sich in dem Band sowohl die Väter der Bekennenden Kirche (BK) wieder, die gegen die NS-Kirchenpolitik und die Gräueltaten der Nazis aufstanden, wie auch glühende Anhänger der sogenannten Deutschen Christen, die die Gleichschaltung der Kirche im NS-Staat befürworteten.

Auch im 20. Jahrhundert in der Kirche noch stark unterrepräsentierte Frauen, die als Theologinnen oder engagierte Ehrenamtliche arbeiteten, werden vorgestellt. „Die Stärke der Lebensbilder liegt in der ehrlichen Auseinandersetzung mit dem historischen evangelischen Milieu, das leider lange Zeit allzu konservativ und deutschnational orientiert war“, resümiert Simone Rauthe in ihrer Bilanz am Ende des über 350 Seiten starken Buches. 

„Das Buch soll historisch interessierte Leserinnen und Leser durch seinen unmittelbaren lebensgeschichtlichen Zugang ansprechen. Abseits abstrakter politischer oder theologischer Denkgebäude kann es so zum Verständnis des Hier und Jetzt unserer Kirche beitragen“, sagt Stefan Flesch, Direktor des Landeskirchlichen Archivs der rheinischen Kirche, der zu den Herausgebern gehört.

„Zwischen Bekenntnis und Ideologie. 
100 Lebensbilder des rheinischen Protestantismus“, 
hrsg. von Thomas Martin Schneider, Joachim Conrad und Stefan Flesch;
Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2018.
ISBN 978-3-374-05617-0; Preis: 30 Euro. 

 

14.11.2018 - Pressesprecher Jens Peter Iven - Landeskirchenamt der Evangelischen Kirche im Rheinland | Arbeitsbereich Kommunikation Hans-Böckler-Str. 7 | 40476 Düsseldorf | 0211 4562-373 | 0172 2603373 | pressestelle@ekir.de | ekir.de/presse