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Der Iran ist anders - Ein vierter Bericht aus Isfahan

Hier der vierte Bericht aus Isfahan:

Tücher

Manchmal genieße ich sie, die Trennung zwischen Mann und Frau. Die Räume die entstehen durch diese hier religiös begründete Unterteilung. Ich genieße Sara’s Frauen-Geburtstagsparty, das hemmungslose Tanzen – ungelenke Versuche den iranischen Hüftschwung nachzuahmen. Es wird gelacht, aber das Vertrauen, das Wohlbehagen ist groß, denn ich fühle mich sicher nur unter Frauen. Ich gehe hier gerne ins Volleyball Training oder ins Schwimmbad, ich freue mich über diese Zeiten in denen ich kurze Sportkleidung trage, schwitze und dennoch von niemandem angestarrt werde, mir keine Kommentare zu meinem Körper anhören muss. Wenn ich im Teil des Bus stehe, der den Frauen vorbehalten ist, muss ich nicht darüber nachdenke ob die Hand an meinem Hintern ausversehen, bloß  eine Folge des Gedränges oder doch volle Absicht war. 

Manchmal bin ich froh über das Kopftuch, weil es meine ungewaschenen Haare verdeckt. Weil ich es tiefer in die Stirn ziehen kann als ich eigentlich müsste und dadurch eine unsichtbare Linie ziehe, die mich davor schützt angesprochen zu werden, wenn ich gerade meine Ruhe haben will. Manchmal schützt es meine Ohren gegen die beißende Kälte am Morgen. Und an so vielen anderen Tagen hat es mich schon, ohne dass ich es merkte, vor einem Sonnenstich bewahrt. 

Und dann nervt es mich wieder. Dieses Stück Stoff, das bei langen Busfahrten über Nacht nicht auf meinem Kopf bleiben will, mir immer wieder in den Nacken rutscht. Die Kleiderordnung die es mir nicht erlaubt, eine weitere Schicht auszuziehen, wenn der Busfahrer die Heizung aufdreht damit die Jungs im T-Shirt nicht frieren müssen, während mir mein Manto schweißnass am Rücken klebt.  

Mich nervt meine Empörung, wenn Touristinnen, das Kopftuch zum Turban binden, wenn ihr Oberteil nicht den Hintern bedeckt. Denn dann merke ich, wie sehr ich die Regeln, die ich eigentlich diskriminierend und ungerecht finde schon verinnerlicht habe. Beim Fahrradfahren fluche ich über den Wind der mir das Tuch vom Kopf zieht, nicht darüber dass ich es tragen muss.  Ich wundere mich nicht, dass ich beim Hausverlassen das Tuch mit der gleichen Selbstverständlichkeit über mein Haar lege, mit der ich meinen Schlüssel einstecke und in die Schuhe schlüpfe, es gehört dazu.

 

Das schöne Leben

 „Ich werde auf keinen Fall einen Teppich kaufen!“ So denken die meisten, wenn sie das erste Mal von einem Teppichhändler in seinen Laden gebeten werden. Tatsächlich schaffen es aber nur die wenigsten, den Iran ohne Teppich im Gepäck wieder zu verlassen. Denn wer bei einer Iranischen Familie zu Gast ist und einen Nachmittag Tee trinkend auf handgeknüpften Teppichen verbringt - wer lange genug dort sitzen bleibt und mit dem Finger die bunten Muster nachstreicht, erkennt zwangsläufig, dass das Leben auf Teppichen ein schönes ist. 

Während der Teppich am Boden bleibt, fliegt die Zeit wenn die Runde immer größer wird, wenn Kerne geknackt, Mandarinen geschält und Wasserpfeifen geraucht werden. Unbegrenzt ist der Platz für Gäste bei Sobhkhane, Nahar und Sham1, wenn der Kreis um das auf dem Teppich ausgebreitete Tischtuch einfach ein bisschen größer gemacht werden kann und nicht die Plätze am Esstisch die maximal Anzahl von Mitessern vorgeben. Und auch alleine liegt es sich ziemlich gut, mit einem Buch oder mit geschlossenen Augen einfach dort wo gerade die Sonne einen hellen Fleck auf das wollene Muster am Wohnzimmerbodens zeichnet. Die Teppiche sind so unterschiedlich, wie die Menschen die sie herstellen. Die Teppiche der Stadt, aus Isfahan oder Yazd sind fein geknüpft. In hellen Farben verewigte Blumen und Ranken wachsen zwischen fehlerlosen Ornamenten, mit glänzender Seide veredelt oder für die, die es sich leisten können gleich ganz daraus geknotet.  

Am schönsten aber sind die Nomadenteppiche. Die dicke Wolle ändert ihre Farbe, je nach dem von welchem Körperteil des Schafs sie kommt. So ist rot nicht gleich rot sondern kann im gleichen Muster so dunkel wie Wein oder so hell wie Blut schimmern. Tiere und Formen, Blumen und Muster erzählen die Geschichte des jeweiligen Stammes, manchmal ein bisschen ungleichmäßig aber das schließlich macht die wahre Schönheit aus. „Just for the pleasure of the eye.“ 

Wer sich unter diesem Vorwand in einen Teppichladen wagt, wer lange genug dort herumstöbert und die Fülle an Farben, Mustern und Formen sieht, wer die Schuhe abstreift um Wolle und Seide mit den Zehen zu erfühlen, erkennt zwangsläufig, wie schön es wäre fortan auf einem solchen zu Leben.

 

Bahram und Hamid

Die salzige Luft ist warm und der Wind vom Meer bringt kaum Abkühlung. Es ist zu schwül zum Laufen, stattdessen wollen wir Trampen. Die Insel Qeshm ist relativ groß und eigentlich ist es uns relativ egal wo es hin geht, denn unser eigentliches Ziel war das Meer und hier sind wir nun. Schneller als gedacht hält ein kleines weißes Auto neben uns an, und zwei Schränke, einer mit Schnurbart und Goldkette der andere mit wenig Haaren und stechend blauen Augen betrachten uns grimmig durchs Beifahrerfenster. Wir wechseln einen schnellen Blick, denn ganz wohl ist uns bei diesem Anblick nicht. Aber was soll’s, wir sind schließlich im Iran und so erkläre ich schnell, dass wir mitfahren wollen und es egal ist wo es hin geht. Hamid, der mit den Augen und Bahram, der mit dem Schnurbart haben scheinbar auch kein festes Ziel, oder aber es wurde mit unserem Auftauchen am Straßenrand in ein fernes Später verschoben. Nun jedenfalls gilt es uns über die Insel zu kutschieren, denn unser Tramp hat sich unversehens in ein kleines Reiseunternehmen verwandelt. 

Obwohl unsere Gastgeber sich in Schweigsamkeit gegenseitig übertreffen, finden wir während der Fahrt heraus, dass sie sich beim Ringen kennen gelernt haben und zwei durchaus nette Kerle sind. So brausen wir an der Brandung vorbei bis zu einem verschlafenen Fischerdorf an dessen Hafen Bahram ein Boot samt Steuermann organisiert. Mit jaulendem Motor jagen wir über das türkisfarbene Wasser in Richtung Mangrovenwälder. Die Bäume scheinen zu schwimmen, Stamm und Wurzeln verschwinden im Meer und während wir noch am Staunen sind geht die Tour schon weiter und wir sitzen wieder im Auto, unterwegs zu einer alten portugiesischen Festung. Danach geht es zu einer von Wind und Wetter geformte Felslandschaft, dem Sternental, und während die Sonne zu meiner Überraschung dem Meer entgegen sinkt, denke ich an Einsteins Theorie zum Reisen mit Lichtgeschwindigkeit. Mit der untergehenden Sonne geht das eigentliche Abenteuer los, denn unsere Vorstellung über den weiteren Verlauf des Abends deckt sich nicht so ganz mit der von Hamid und Bahram. Wir möchten nämlich am Strand schlafen, während unsere großen Freunde das für eine reichlich dumme Idee halten. Stattdessen sollen wir mitkommen, Hamid besteht darauf dass wir duschen gehen, weil wir sonst anfangen zu stinken, das Meer als Alternative ist keine Option. Außerdem ist der Strand gefährlich und in ihrem Wohnzimmer noch Platz. Nach langem Hin und Her einigen wir uns auf einen Kompromiss, genießen Dusche und Abendessen und lassen uns dann wieder zum Meer fahren. Irgendwo zwischen Stadtstrand an dem noch das bunte Leben tobt und der unberührten Natur, in die wir gerne möchten, werden wir abgesetzt. Kein optimaler Ort zum wildcampen aber immerhin am Meer, denken wir. Bahram mahnt uns anzurufen falls irgendetwas ist und dann lassen sie uns widerwillig ziehen. 

Drei Stunden später schrecke ich aus dem Schlaf, weil jemand um unser Zelt schleicht, den Eingang sucht. Eine Stimme fragt, wer wir sind, ob wir alleine sind. Wir schreien und der Kerl haut ab, zurück bleibt das Herzklopfen und die Unsicherheit, was das gerade war. Der Schlaf ist in weite Ferne gerückt und das Wohnzimmer von Hamid und Bahram scheint plötzlich ein wunderbarer Ort zu sein. Ziemlich zerknirscht rufe ich Bahram an. Keine zehn Minuten später sind die beiden wieder da und packen uns samt Zelt ins kleine weiße Auto. Als wir kurz darauf wieder das Wohnzimmer betreten, sind unsere Betten schon gemacht.

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1 Sobhkhane, Nahar und Sham ist persisches Frühstück, Mittag- und Abendessen